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ARMES LAND

Marinus van Aalst hat sich in den 90er Jahren von der klassischen Bildhauerei abgewandt und sich zum Objektkünstler entwickelt, der seine Materialien überall da findet, wo politische und gesellschaftliche Entscheidungen getroffen werden, die seine und unsere unmittelbare Lebenswelt verändern. Für van Aalst ist das in Böblingen die Gegend mit dem alten Flurnamen Kerferhau, in der er schon als Kind erste Erfahrungen gesammelt hat. Ich zitiere ihn aus einem Katalog von 1992: "Für meine Arbeiten war die konzeptuelle Ausgangssituation der Kerferhau. Topographisches Planquadrat 04-05/94/95. Die Geschichte des Kerferhaus zugleich die Geschichte der durch Militärbesatzung und Mülldeponie betroffene Region Böblingen/Stuttgart. Hier lagert ab, was der Zivilisation im Wege steht, was ausgegrenzt und abgesondert wird, damit die Vision nach aussen aufrecht erhalten werden kann. Ich nehme an, der Künstler meint damit die Vision eines verträglichen Miteinanders von Mensch und Natur. Der Kerferhau ist ja inzwischen der Ort, an dem die neue Böblinger Müllverbrennungsanlage entsteht.

 

Die nur 57x46 cm grossen Wandobjekte sind von Winkeleisen gerahmt. Damit beziehen sie sich auf die Tradition des Tafelbildes. Die Bildfläche besteht aus einer Zementschicht auf Sperrholz. Diese ist in der Mitte rechteckig nach Art eines Passepartouts eingetieft. Eisenrahmen und innere Zementrahmen umschliessen eine rechteckige Fläche, auf der kleine bis winzige Gegen-stände aus Fundmaterial miteinander in Beziehung gesetzt  werden. Das Kleine ist sogleich das Nebensäch-liche, das, wie ich eben zitiert habe "ausgegrenzt und abgesondert wird". Dem Zugriff auf die in van Aalsts Werkstatt eingelagerten Fundmaterialien gehen Skizzen voraus, in denen der Künstler die bildnerische Anordnung festlegt. Da sind Materialien Blei, Draht, Textil und Kokos-faser, die von Bild zu Bild wiederkehren. Verfolgt man die Art und Weise, wie sie angeordnet sind, so zeigen sich auch da bestimmte Formeln, die auf die Bedeutung hinweisen. Kokosfasern sind immer leicht zusammen-gepresst, mal unter einem Bleischild, mal in Textil eingewickelt, mal von Holz gefasst. Für van Aalst ist die Naturfaser Sinnbild von Wärme - mehr im organischen als im physikalischen Sinn. (...)

 

Gabrielle Hoffmann

 

 

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